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Interview mit Vladimir Harkonnen (06.06.2009)

Vladimir Harkonnen

Ich erlaube mir an dieser Stelle mal, dem geneigten Leser eine für diese Seite eher untypische Band vorzustellen. VLADIMIR HARKONNEN aus Kiel, die mit „Silence, As Long As A Thought, While The Executioners Are Reloading“ eine feine erste Veröffentlichung zwischen Melodycore und Rock unters Volk gebracht haben. Grund genug, die Jungs mal in eher untypischem Fahrwasser bekannter zu machen. Das deutlich kürzere Original des Interviews findet sich übrigens im OX-Fanzine, für das ich nebenbei auch noch tätig bin.

Harkonnen nach Gig
Hi Philipp, wir kennen uns seit Ende der Achtziger, als du bei den punkigen A.L.D.I. gesungen hast, dann kamen lange Jahre BONEHOUSE, grobe Richtung Crust und Rock `n Roll, jetzt VLADIMIR HARKONNEN, die großartigen rockigen Melodycore machen, wobei das Wort nicht als Beschimpfung verstanden werden soll. Ist diese Entwicklung der Einfluss deiner neuen Mitstreiter oder ist das eine bewusste Entscheidung zu mehr Eingängigkeit? Anders gefragt: Wirst Du alt?

VRHN/Philipp: Hi Ollie – erstmal vielen Dank für das Inti und ein herzliches Fuck Off für letztere Frage, haha. NATÜRLICH werden alle anderen älter, ICH aber werde stetig jünger. Das ist so ‘ne seltene Krankheit, da gib es gerade auch einen Hollywood-Schmachtfetzen über das Thema...
Okay, tatsächlich ist die Mucke hauptsächlich Zarc (g) zuzuschulden, der Fucker ist unser Hauptsongwriter und ich kann über sein Zeug noch so fies grölen, da bleibt immer so ein nerviger Rest an Melodie…
Der Arbeitsprozess bei uns ist für mich recht neu, bei eigentlich allen meinen bisherigen Bands kamen meist die Gitarristen mit Riffs in den Proberaum und wir haben gemeinsam dran geschraubt. Bei VLADIMIR HARKONNEN ist es so, dass Zarc den Song bis in die Details fertig hat, sogar die Gesangslinien, wobei natürlich auch hier noch Änderungen durch gemeinsamen Input einfließen. Wir beschäftigen uns dann sehr lange mit dem optimalen Tempo – wenn das gefunden ist, stellt Schlagzeuger Eric es sich auf Klick ein und probt das bis zu 98%iger Tightness. Ich hätte vorher nie gedacht, wie sehr das der Mucke zugutekommt! Auch an der Phrasierung und Einbindung der gesungenen Wörter wird geübt, bis ich fast wahnsinnig werde. Mann Mann, der Nils hat mich da im Studio gequält, das war eigentlich schon ein Verstoß gegen die Genfer Konventionen für Menschenrechte…


HarkonnenLive01VLADIMIR HARKONNEN ist ja ein Schurke aus dem „Wüstenplaneten“. Hat einer von euch wirklich alles gelesen?

VRHN/Philipp: Ja, mehrere sogar! Das ist echt witzig, dass ich in einer Band gelandet bin, wo wir insgesamt sehr kompatible Hobbys haben, neben Musik eben auch Bücher und Filme. Ich habe neben dem klassischen „Dune“-Zyklus auch die gesamten Bücher von Brian Herbert (Sohn des Erfinders Frank Herbert) und Kevin J. Anderson gelesen – ebenfalls empfehlenswert, allerdings mit weniger philosophischem Tiefgang. Die letzten Bände der klassischen Serie sind echt Hardcore, ziemlich abgedreht. Witzigerweise kam gerade der Vorschlag für den Bandnamen von Nils, der die Bücher gar nicht kennt. Irgendwer warf „Harkonnen“ in den Raum und Nils sagte eher höhnisch so etwas wie „Ja genau, warum nicht gleich VLADIMIR HARKONNEN“? Und wir anderen haben zu Nils‘ anfänglichem Entsetzen sofort begeistert „das isses!“ gebrüllt.


Von wegen Frank Herbert. Der Mann hat ja in den Achtzigern IRON MAIDEN, die einen Song „Dune“ nennen wollten, eine Unterlassungsklage angehängt, weil er Rockmusik hasst. Habt ihr keine Sorgen, dass seine Söhne ähnlich reagieren?

VRHN/Philipp: Ha ha, das war schon ein Klassiker, Herbert soll über seinen Verlag der Band mitgeteilt haben, dass er Rockmusik hasse, speziell Heavy Metal und ganz speziell IRON MAIDEN… Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob das bei einem Eigennamen rechtlich möglich wäre, uns den verbieten zu lassen. Opa Knack hatte das Problem allerdings mit seinem „Pankerknacker“. Warten wir es ab, ob die das überhaupt mitbekommen und ob die das stört. Hey, vielleicht gibt es einen großen Medienskandal und wir werden berühmt! Und dann ändern wir einfach die Schreibweise in VLADYMYR HARKÖNNEN oder so… Oder in etwas ganz Anderes, Jens Rachut macht das schließlich alle paar Jahre (OMA HANS – KOMMANDO SONNE-NMILCH).


Imre Kertész hat als Literaturnobelpreisträger den Namen zu eurer Scheibe beigetragen, wo ist der Zusammenhang zwischen seinem Essay und eurer Musik?

VRHN/Philipp: Es ist so, dass ich Kertész‘ „Roman eines Schicksallosen“ gelesen hatte, was ich als provokative und anregende Lektüre empfunden hatte. Ich habe mich dann etwas mit Kertész beschäftigt und finde es faszinierend, wie dieser Mensch den deutschen Faschismus und später den Stalinismus in Ungarn erleben musste und sich in seinen Texten gegen beide ekelhaften Systeme wendet. Als Plattentitel fanden wir das passend, da klischeefrei. Fritte hat dazu mehrere Coverentwürfe gemacht, die seine Interpretation des Titels und die Essenz von Kertész Aussagen darstellen. Man kann da Einiges interpretieren, was wir geiler finden, als irgendein einfach schickes Cover ohne Inhalt/Aussage. Textlich haben wir noch kein Stück, welches sich direkt auf Kertész bezieht, aber mit totalitären Systemen befasse ich mich nicht nur aus beruflichen Gründen recht viel, was seinen Niederschlag auch noch deutlicher in den Texten finden wird.


Harkonnen Live02Was ist den Leuten eurer Vorgängerbands geworden? Sind sie noch aktiv oder seid ihr der Haufen der einzig Überlebenden?

VRHN/Philipp: Der Jens von 2ND ENGINE (b) spielt mittlerweile bei den TYPHOON MOTOR DUDES, geile Punk/Rock’n’Roll-Band. Späthi (g) von BONEHOUSE hat gleich drei Eisen im Feuer, bereits zu BONEHOUSE-Zeiten hatte er bei der Mestizo-Kapelle SEXTO SOL gezockt, vor kurzem ist er bei MOSQUITO JACK eingestiegen (Stoner/Hardcore) und zusammen mit Pete (g, auch Ex-BONEHOUSE) hat er jetzt eine Band aufgestellt, deren Name sich momentan noch wöchentlich ändert, da waren Vorschläge wie BOB MOSH oder BUMBAKLATSCH dabei. Das wird wohl eine völlig wahnsinnige Mischung aus Reggae und Hardcore, da bin ich echt richtig gespannt drauf. Von allen anderen weiß ich jetzt nichts, aber Andi spielt parallel weiterhin bei N.O.M. (Hardcore).


Die Hardcoreszene ist ja erwachsen geworden. Wenn mich nicht alles täuscht, bist du ja Lehrer, wie verbindet sich denn dein linkes Weltbild und unangepasstes Aussehen mit dem doch eher konservativen Beruf? Oder hast du Chancen, die Welt zu verbessern? Was macht eigentlich der Rest der Band außer PC-Spiele zu synchronisieren?

VRHN/Philipp: Ja, ich habe im Grunde bereits vor der Gründung von Bonehouse auf Lehramt studiert und habe dieses Ziel nach ca. 15 Jahren über mehrere Stationen schließlich erreicht. Bin in der Tat jetzt verbeamteter Pauker in den Fächern Geschichte und Deutsch an ‘nem Gymnasium in Ost-Holstein. Ich war sehr gespannt, ob ich irgendwann aufgrund meiner Aktivitäten mit meinen Bands Probleme bekomme, vor allem, weil ich mich nie in irgendwelchen Aussagen zurückgehalten habe hinsichtlich systemkritischer Aussagen. Und was soll ich sagen? Der Job macht sauviel Spaß! Erstaunlicherweise habe ich bisher NIE Probleme bekommen. Das stimmt einen natürlich auch nachdenklich: Letztlich scheint es in diversen Kollegien mittlerweile liberaler zuzugehen, als es alte Feindbilder - Marke „Linke Spießer“ - gerne wahrhaben wollen. Zumindest in meinem Kollegium herrscht eine angenehme offene Atmosphäre, muss ich sagen. Kann ich die Welt verbessern? Mir ist schon klar, dass das nicht ganz ernst gemeint ist, aber es gibt sicherlich Berufe, die langweiliger sind und die auch in Sachen Klamotten deutlich mehr Konformität erwarten, auch wenn es natürlich zudem nervige Seiten gibt und uns eine zunehmende Bürokratisierung und praxisferne „Reformen“ aufgedrückt werden. Ich will, das muss ich ganz klar sagen, aber niemanden indoktrinieren, provoziere natürlich in Oberstufenkursen gerne mal, aber mit starren ideologischen Dogmen habe ich eh nichts am Hut. Ich muss auch eine Lanze brechen für viele meiner SchülerInnen: Ich habe einen Leistungskurs Geschichte, in dem die meisten überdurchschnittlich kritisch und politisch informiert sind. Da laufen höchst spannende Diskussionen und mir macht das ganz klar Spaß, konnte in den letzten Jahren mit denen diverse Themen von der Französischen Revolution über die Geschichte der Bundesrepublik bis hin zu aktuellen Ereignissen alles thematisieren – für mich passt das mit Hardcore zusammen!
Okay, die anderen: Nils hast du ja bereits angesprochen, der betreibt mit Digital Process SP ein Studio. Andi schraubt an Heizungen herum und organisiert Festivals (RD-Rock-Festival), Eric ist Koch in einem Zentrum für Gehörgeschädigte. Zarc knüppelt in einem Unternehmen, welches sich mit dem Handel von Strom und Gas beschäftigt.

So, die Harkonnen-Familie grüßt alle, die das hier lesen.
Harkonnen Logo

 

 

 

 

 

 

www.vladimirharkonnen.de
www.myspace.com/vladimirharkonnen

Dr. O. (Info)
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